Kennst du das? Ein Produkt Backlog mit über 500 Einträgen. Jede Idee, jede Bitte, jede E-Mail hat ihren Weg dorthin gefunden. Eigentlich soll das Product Backlog Orientierung geben – doch in der Realität wirkt es oft wie ein überquellender Kellerraum: voller Dinge, die man irgendwann mal gebrauchen könnte.
Das Product Backlog wird so zum Wunschzettel. Niemand im Team hat noch eine Übersicht wieso es welchen Eintrag gibt, welche Duplikate sind, welche veraltet sind. Planung mit so einem Product Backlog ist unmöglich. Priorisierung ist beliebig, es fehlt eine Strategie was in welches Release gehört und die eigentliche Produktentwicklung verliert so an Fokus. Der Product Owner (PO) verwaltet so nur noch und der Scrum Master kommt seiner Führungsrolle den PO zu coachen bei diesem Phänomen nicht nach. Ich sehe dabei immer wieder drei typische Probleme:
Product Backlogs sind zu groß
Ein Produkt Backlog ist kein Wunschzettel. Trotzdem nutzen viele es genauso. Das Ergebnis: hunderte Items, die nie umgesetzt werden. Wer da noch durchblicken soll, ist unklar. Tickets werden teilweise doppelt angelegt, es herrscht Angst davor Einträge zu löschen und oft kann auch noch jeder in der Organisation einfach Product Backlog Einträge erstellen. Oft führen auch zu viele verschiedene Item Types in JIRA dazu Erics, Requirements, User Stories, Bugs, Aufgaben etc.
Mein Tipp: Sei mutig beim Aussortieren.
Alles, was keinen klaren Bezug zur Produktstrategie hat, fliegt raus. Ideen dürfen in eine separate Liste. Aber das Backlog? Das bleibt schlank, klar und auf das Wesentliche reduziert.
Priorisierung im Backlog nach Stakeholder-Lautstärke statt Kundennutzen
Die Reihenfolge im Backlog ist oft mehr Zufall als Strategie. Mächtigere Stakeholder setzen sich oft durch – und damit nicht unbedingt die besten Ideen für Kunden. Teams merken das sofort: Die Arbeit fühlt sich beliebig an, der rote Faden fehlt. Sprint-Ziele können so gar nicht entstehen. Inkrementell wird so nicht gearbeitet, denn es wird für das Team gefühlt jedes Thema schonmal angefangen.
Mein Tipp: Mach Kundennutzen sichtbar.
Nutze einfache Modelle wie „Cost of Delay“ oder Story Mapping. Wichtig ist nicht das Tool, sondern die Haltung: Kundennutzen vor Stakeholder-Lautstärke. So wird Priorisierung nachvollziehbar und transparent.
Keine Schätzung, und damit kein Risikomanagement und keine Release Planung
„Schätzen ist Zeitverschwendung“ höre ich oft oder das ist zu groß, das können wir so nicht schätzen. Die Folge: Backlogs voller unklarer Einträge. Ohne Schätzungen gibt es aber kein echtes Risikomanagement und keine optimale Ressourcenplanung. Denn der PO kann ohne Schätzung gar nicht sehen, ob er ggf. weiteres Budget braucht und z.B. das Team verstärken muss, was genau an der Beschreibung fehlt oder was zu wann überhaupt geliefert werden kann.
Mein Tipp: Grob schätzen reicht. Aber schätzt!
Epics groß schätzen, Stories feiner. Häufig schätzen und lernen große und kleine Anforderungen zu schätzen. Nicht zu viele verschiedene Product Backlog-Eintrags-Typen haben wie z.B. Anforderungen, Epics, Aufgaben und User Stories. So entsteht ein Bild, mit dem du planen kannst. Keine Glaskugel – aber eine deutlich bessere Grundlage als reines Bauchgefühl. Du kannst Forecasts erstellen, Releases planen und prüfen wie viele Developer gebraucht werden.
Der Product Owner braucht aktive Zeit für die Backlog-Pflege
Ein Produkt Backlog ist kein Sammelordner. Es ist ein strategisches Werkzeug.
Und wie jedes Werkzeug funktioniert es nur dann, wenn es gepflegt wird:
- Klein halten.
- Nutzenbasiert priorisieren.
- Schätzen, um Risiken und Planung greifbar zu machen.
Doch genau diese Dinge passieren nicht von allein. Sie passieren nur, wenn ein Product Owner sich aktiv Zeit nimmt – für Strategie, für Priorisierung, für die Pflege des Backlogs. Das ist keine Nebensache, sondern Kernaufgabe. Und der Job eines Scrum Masters ist es den Product Owner dazu zu befähigen.
So wird aus einem überfüllten Kellerraum wieder das, was es sein soll: das Herzstück der agilen Produktentwicklung.
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