Artikel

Deskalieren statt skalieren: Agilität soll die Organisation vereinfachen.

 

Mehr Käse, mehr Löcher
Mehr Löcher, weniger Käse
Mehr Käse, weniger Käse

Ist dieses Paradoxon Käse? Möglich. Und ist es auf die Organisation von Organisationen übertragbar? Möglich.
Sicher ist: Organisatorisch mehr mit weniger zu erreichen, ist spätestens beim zweiten Nachdenken eine gar nicht so abwegige Idee. Gerade im Aufbranden der skalierten agilen Rahmenwerke steht diese Idee gerade zu konträr da.

Nicht, dass das Etwas besonderes wäre. Unternehmen, ach was, eigentlich ja ihre Menschen, tendieren dazu zusätzliche Anforderungen mit mehr Organisation zu beantworten. Der Weg vom Start-Up zum etablierten Unternehmen geht anscheinend zwangsläufig mit einem Mehr an Organisation einher. Mehr Prozesse, mehr Strukturen, mehr Regeln. In der Organisationstheorie gibt es für all diese Wörter den Begriff der Referenzen. Größere und ältere Unternehmen scheinen mehr Referenzen zu benötigen: Mehr Mitarbeitende? Mehr Strukturen. Weitere Produkte? Mehr Prozesse. Neue Ereignisse? Mehr Regeln. Größere Vorhaben? Mehr “Management”. Wenn also mehr Teams dazu kommen, ganze Bereiche, Geschäftsbereiche oder gleich die ganze Unternehmung “agilisiert” werden sollen, dann brauchen wir dafür auch mehr Referenzen! Jaaa! Oder? Muss auch die Organisation der Organisation wachsen?

Mehr Agilität, weniger Referenzen
Mehr Referenzen, weniger Agilität
Mehr Agilität, mehr Referenzen

Hä? Da beißt sich die Katze doch in den Schwanz! Und die Maus keinen Faden ab. Das wäre Blödsinn.

Der Begriff der Bürokratie und des Wasserkopfes drängt sich auf. Ist größere Organisation gleich mehr Bürokratie? Die entsprechende organisatorische Schule (geprägt durch Max Weber) sagt: joah.
Die Erkenntnisse aus den letzten Jahrzehnten, geprägt durch die Organisation von Wissensarbeit und Lernen zeigt: muss nicht.
Deswegen sind wir sehr darauf bedacht, Transformationen unter dem Leitstern der Agilität auch wirklich so anzugehen. Mit agiler Arbeitsweise zu agiler(er) Organisation. Je größer die “agilen Vorhaben” werden, umso eher treibt uns die Idee der Deskalierung um. Die Kunst ist es das Organisationsdesign so zu gestalten, dass Organisationen vereinfacht werden, dass der Fokus auf der Wertschöpfung ist. SAFe hat passenderweise in der aktuellen Version 5.0 ein zehntes Prinzip hinzu genommen: “Organize around Value”. LeSS ist da noch eindeutiger und trägt den passenden Untertitel: “More with LeSS”.

Ganz konkret: Wie können wir die gleichen Lösungen oder Visionen mit weniger Regeln und weniger Rollen erreichen?
Und nicht unwichtig: Was können wir Menschen alternativ anbieten, die Regeln und Rollen benötigen?

Zur ersten Frage: Wie können wir die gleichen Lösungen oder Visionen mit weniger Regelungen erreichen?
In einer Hierarchie ohne bindende Elemente eines Rollen- und Ablaufmodells müssen Führende eben jene Rollen und Abläufe aushandeln und entscheiden.  “Agile” Methoden hingegen verteilen diese Führung inhaltlich und prozessual, in Scrum beispielsweise auf die Teamrollen und die Events. Beide werden gewissermaßen durch eine Charta gebildet: den Scrum Guide. Oder organisationsspezifische Adaptationen…
In Scrum arbeiten (etwa) sieben Entwicklungsteammitglieder mit einem Product Owner (PO) und einem Scrum Master (ScM) zusammen. Ein PO und ein ScM können aber mit mehr als einem Team zusammen arbeiten. Nehmen wir an, mit vier Teams. Erfahrungsgemäß gibt es einige Faktoren, die dieses Verhältnis hin zu mehr Teams beeinflussen können. Also: 4 Teams à bis zu 9 Personen. Ergibt 36 Personen, bei üblichen Leitungsspannen sind das mindestens 4, eher 5 Führungskräfte. Nanu? Ist da jetzt weniger Führung im agilen? Nein, im Gegenteil – erfahrungsgemäß. Jetzt übernehmen alle, situativ Führung. Das kurze Beispiel zeigt, wieso es nicht sinnvoll ist, bestehende Strukturen in eine skalierte agile Organisation zu übertragen.
Das ist eine verpasste Chance zu vereinfachen!

Zur zweiten Frage: Was können wir Menschen alternativ anbieten, die Regeln und Rollen benötigen? Dazu lohnt sich ein weiterer Artikel – bleib dran 😉 So viel vorab: Wenn die neue Arbeit situativer Führung bedarf, benötigen Menschen vereinte Inhalts- und Führungskompetenz. In einem Team können sie sich nach persönlicher Neigung entwickeln und für das Team in ihrer inhaltlichen oder in ihrer Führungskompetenz zusätzlichen Wert beitragen. Als Stichwort sei der Phi-Kompetenzansatz erwähnt.

Mit diesen Gedanken zeigt sich am Ende, dass das Paradoxon gar keines ist. Ein bisschen Umstellen hilft:

Mehr Referenzen, weniger Agilität
Mehr Agilität, weniger Referenzen
Weniger Agilität, weniger Referenzen

Vincenzo ist SAFe Program Consultant, hat bei Craig Larman die Zertifizierung zum LeSS-Practitioner abgelegt und hat sowohl unterschiedliche (de)skalierte agile Transformationen sowie Adaptionen beraten und begleitet.

Schreibe einen Kommentar

Ihre Ansprechpartnerin:

Vincenzo Parisi

wibas GmbH

Vincenzo Parisi

Otto-Hesse-Str. 19B

64293 Darmstadt

vincenzo.parisi@wibas.com

+49 6151 503349-0