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Skalierung einer Organisation: So baust du dein eigenes Rahmenwerk

In diesem Beitrag gibt unser Gastautor Carsten Rasche Einblicke in das Vorgehen myScaledAgile. Carsten ist Executive Consultant bei der Managementberatung borisgloger consulting und beschäftigt sich als Organisationspsychologe im Rahmen von agilen Transformationen vorrangig mit der Fragestellung, wie geeignete Rahmenbedingungen aussehen, in denen sich Individuen und Teams kontinuierlich weiterentwickeln können.

Viele Unternehmen, seien es Start-ups, KMU oder Konzerne, arbeiten heute nach agilen Prinzipien. Oft starten die Initiativen in einer Abteilung und sollen bei Erfolg dann auf größere Bereiche oder das ganze Unternehmen ausgeweitet werden. Für diesen Zweck stehen eine Vielzahl an Rahmenwerken zur Verfügung, die versprechen, bei der Umsetzung zu helfen – sie heißen Scrum@Scale, SAFe® oder LeSS. Doch einen wichtigen Aspekt verkennen sie: So unterschiedlich Unternehmen sind, so individuell sollte auch der Rahmen sein. Unsere praktischen Erfahrungen aus diversen Transformationsprojekten bilden die Grundlage für ein von borisgloger consulting entwickeltes Metamodell: Der myScaledAgile-Ansatz. Ziel des Vorgehens ist das Abbilden der vielschichtigen Themen und Entwicklungsstränge, die ein agiles Arbeitsmodell benötigt und diese in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen.

Diese drei Schritte helfen euch dabei:

1. Vorbereitung der Framework-Entwicklung

Die erste Phase legt die Rahmenbedingungen für die Entwicklung und Implementierung eines neuen Zusammenarbeitsmodells fest. Neben der Frage, welche strategischen Ziele die Organisation verfolgt, auf die ein neues Framework ausgerichtet wird, stehen die Ziele der Veränderung im Fokus. Welche Teile der aktuellen Organisationsstruktur und der Prozesse dürfen angepasst werden, welche nicht? Das Top-Management ist im Idealfall direkt involviert und gibt den Anstoß als Auftraggeber. Eine leichtgewichtige Status-Quo-Analyse sollte zudem zum Start beantworten, welchen Reifegrad das Unternehmen in unterschiedlichen Dimensionen aufweist und welche Punkte im Zuge des Veränderungsvorhabens weiterentwickelt werden müssen. Für einen repräsentativen Querschnitt eignet sich die Retrospektive. Daran nehmen Repräsentant:innen aller betroffenen Abteilungen und aller Ebenen teil – vom Mitarbeitenden bis zur Führungskraft. Insbesondere wenn es um die Framework-Entwicklung von größeren Abteilungen oder sogar von ganzen Organisationsbereichen geht, ist es empfehlenswert, ein dezidiertes Veränderungsteam zu bilden, das die Verantwortung trägt und als Ansprechpartner innerhalb der Organisation fungiert. Dieses Team wird häufig Transformationsteam genannt. Es rekrutiert sich aus allen Bereichen der Organisation und arbeitet ebenfalls agil.

Einschub: Sechs Faktoren erfolgreicher Skalierung

In unseren Praxisprojekten haben sich sechs Erfolgsfaktoren für die Einführung und Etablierung von Agilität in weiten Teilen der Organisation herauskristallisiert. So zeigt unsere Erfahrung, dass es für den Wandel zu einer agilen Organisation nicht reicht, einfach mehrere agil arbeitende Teams mit Hilfe eines vorgefertigten Skalierungs-Frameworks zu orchestrieren. Ein stabiles Fundament baut auf sechs Bausteinen auf.

Die Kommunikation und der Informationsfluss sind die Basis des agilen Arbeitens. Deshalb kommt der Organisations- und Produktarchitektur eine besondere Rolle zu. Sie muss sicherstellen, dass verschiedene Teams möglichst unabhängig voneinander arbeiten können. Darauf aufbauend ist eine unterstützende Infrastruktur unabdingbar, um untereinander reibungslos Informationen auszutauschen und Produktteile unabhängig voneinander herauszugeben. Erst dadurch werden schnelle Lieferungen möglich.

Essenziell für qualitativ hochwertige Lieferungen sind die notwendigen Skills und Erfahrungen, um das Vorhaben zu bewältigen. Die Stärken gilt es im Sinne der Kundenorientierung auszurichten, um die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer von Produkten und Leistungen optimal zu erfüllen. Management-Frameworks unterstützen dabei, das Gesamtsystem der Organisation zu steuern und im Blick zu behalten. Abschließend kann die Transformation nur gelingen, wenn sich Führung und Kultur des Unternehmens weiterentwickeln und agile Werte und Prinzipien in ein modernes Führungsverständnis integriert werden. 

2. Design des neuen Arbeitsmodells

In der zweiten Phase entwickelt das Transformationsteam das neue Skalierungs-Framework auf Grundlage der abgesteckten Rahmenbedingungen. Dafür kommen mehrere Workshops mit regelmäßigem Feedback aus der Organisation infrage. Das Vorgehen sollte bewusst mit strukturellen Anpassungen starten: Bestehende Hierarchien, Abteilungsstrukturen und Wertschöpfungsprozesse müssen auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden.

Agile Organisations- und Vorgehensmodelle haben das Ziel, die Organisation stärker auf die Kunden auszurichten, von einer funktionalen Struktur wegzukommen und stattdessen eine Organisation zu entwickeln, die an Produkten oder Kundensegmenten orientiert ist. Damit einher gehen auch neue Führungsmodelle: So sehen die meisten agilen Arbeitsmodelle wenig hierarchische Führungsrollen vor, um die Selbstorganisation und die Entscheidungskompetenz der Teams zu stärken. Erst im zweiten Schritt werden die Abläufe entwickelt, die das Unternehmen benötigt, um das neue System zu koordinieren.

Die größte Herausforderung besteht darin, die unterschiedlichen und gleichzeitig möglichst autonomen Teams auf gemeinsame Ziele auszurichten. Dafür stehen verschiedene Modelle bereit, wie beispielsweise das Flight-Levels-Konzept von Klaus Leopold. Es hilft dabei, den Überblick über Entscheidungen auf den jeweiligen Ebenen (Strategie, Koordination und operative Ebene) zu behalten. Daneben beinhaltet ein agiles Arbeitsmodell ein Zielmanagement, das dazu dient, die Vision der Organisation in gemeinsame Ziele für Bereiche und Teams zu übersetzen. In den letzten Jahren hat sich für diesen Zweck immer stärker die Methode Objectives and Key Results (OKR) als geeignet erwiesen. Sie fördert die Selbstorganisation und Eigenverantwortung der Teams und der Mitarbeitenden mit quartalsweisen Zielen.

Neben dem Zielmanagement, in das das Top-Management der Organisation mit eingebunden ist, benötigen die handelnden Akteure Konzepte, die ihnen bei der Koordination großer Arbeitspakete mit mehreren, eingebundenen Teams helfen – zum Beispiel das sogenannte Big-Room-Planning oder ein Lean-Portfolio-Management-Prozess. In einem letzten Schritt geht es dann darum, konkrete Synchronisierungsmechanismen für die Zusammenarbeit zwischen den Teams und mit den Stakeholdern zu definieren.

3. Implementierung des neuen Arbeitsmodells

In der dritten und letzten Phase liegt der Fokus darauf, einen Plan für die Verbreitung des neuen Frameworks zu entwickeln und die Implementierung zu begleiten. Das Transformationsteam sollte explizit damit beauftragt werden, das neue Konzept zuerst in einem Piloten anzuwenden und anschließend die Umstellungen in weiteren Teilen der Organisation voranzutreiben.

Für große Umstellungen hat sich das Konzept von Open Space Agility bewährt. Es setzt auf eine Großgruppenveranstaltung zu Beginn der Veränderung (ab Phase 3) mit allen Beteiligten, in der diese eingeladen werden, in den nächsten hundert Tagen zu vorab definierten Themen Experimente durchzuführen. Im Fall der Implementierung des neuen Skalierungs-Frameworks wäre das ein Mindestmaß an Kriterien, das jedes Team innerhalb der ersten hundert Tage für sich umsetzt. Danach kommen alle Teams wieder zusammen und teilen ihre Erfahrungen miteinander. Hierdurch wird gemeinsames Lernen und die Weiterentwicklung des Frameworks ermöglicht. Anschließend geht es in die nächste Hundert-Tage-Iteration, in der weitere Aspekte des Frameworks in den Teams adaptiert werden.

Mit dem myScaledAgile-Vorgehen habt ihr einen Rahmen geschaffen, um Agilität in euren Teams und Organisation breiter auszurollen. Eine gute Vorbereitung und der Mut, Strukturen zu verändern, sind dafür unabdingbar.

Du willst mehr erfahren? Hier erhältst du einen umfassenden Einblick in myScaledAgile und die anstehenden Trainings dazu.

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