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Agile Mythen: Agilität ist nicht kreativ

Der agile Hype ist ohne großartige Kollateralschäden überstanden, alle Teams machen Scrum, läuft… halt so. Wir sind immer noch nicht so hip wie Apple, Startup aber auch nicht so recht, und irgendwie fühlt sich alles so an, als wären wir in Körper oder Kultur einer fremden Person. Und so richtig vom Fleck kommen wir dabei auch nicht, obwohl sich alle, inklusive der Kunden, einen richtig großen Wurf erhoffen… es fehlt an der Kreativität, die man uns anfangs versprochen hat. Kommt Ihnen bekannt vor? Vielleicht sollten Sie an der einen oder anderen agilen Stellschraube drehen!

Der Kopf des Fisches: Die Produktvision

Der Fisch, so sagt man, fängt ja bekanntlich am Kopf zu stinken an. Und wenn wir Agilität nun als ein Mittel zur Entwicklung von Produkten oder Services sehen, ist die Produktvision wohl der Kopf der ganzen Sache. Natürlich – nicht jeder Product Owner ist geborener Visionär von Steve Jobs Format, aber „wir machen das, weil’s wichtig ist!“ ist als Zielrichtung vielleicht doch ein wenig dünn. Eine richtig gute Vision kann mehr:

Sie begeistert Menschen, nimmt sie mit und gibt ihnen eine Vorstellung, wie das Ziel aussehen kann. Als John F. Kennedy We choose to go to the Moon! verkündete waren zwei Sachen klar: Jeder Amerikaner hatte verstanden, dass „wir“ die Ersten sein wollen. Und jeder hatte eine Idee, wie das aussehen würde. Vielleicht nicht, wie die Rakete genau aussieht. Oder der Raumanzug. Oder der Mond. Aber es war recht klar, dass am Ende des Jahrzehnts irgendjemand „Stars and Stripes“ in die Mondoberfläche schlägt. – Ob die Fahne dabei weht oder nicht sei auch schon wieder der individuellen Phantasie überlassen.

Schnelllebig wie wir heutzutage sind, meinen manche, dass eine gute Vision kürzer, prägnanter sein sollte. Wenn sie ihren Chef oder einen potenziellen Sponsor treffen, sollten Sie in der Lage sein, ihm während einer Fahrt mit dem Aufzug zu erklären, was sie machen. Man nennt das Format „Elevator Pitch“.

Wieder andere schwören bei der Vision auf die AIDA-Formel:

  • Attention!
  • Interest (das klingt gut!)
  • Desire (das will ich!)
  • Action (was muss ich machen, um das zu bekommen?)

Ein gutes Stichwort – Was müssen wir machen, um eine gute Vision zu bekommen? Wir nutzen an der Stelle gerne Techniken aus „Innovation Games“ von Luke Hohmann.

Die etwas zu lieb gewonnene Routine: Das Sprint Planning 2

„Jo eeh!…“, würden wir jetzt in meiner Heimat Österreich sagen, „…aber was kann denn der Product Owner dafür, dass das restliche Team nicht kreativ ist?“ – Gut, es liegt nicht ausschließlich am Product Owner und seiner Produktvision, sondern auch daran, was man daraus macht. Der beste Weg um Kreativität im Keim zu ersticken liegt darin, ein gemeinsames Sprint Planning zu machen, dem Team dabei jedoch zu erklären, dass der zweite Teil des Sprint Plannings dazu da ist, seine Tasks für die kommenden Wochen runterzuschreiben.

Sprint Plannings bauen auf Colokation und Cokreativität, weil die Erfinder davon ausgegangen sind, dass das gemeinsame Denken von Lösungswegen soetwas wie ein gegenseitiges befruchten auslöst. Die Praxis unkreativer Teams sieht oft so aus, dass der zweite Teil des Sprint Plannings dazu genutzt wird, dass Teammitglieder jeder für sich aufplant, was er oder sie in den kommenden Wochen noch tun werden. Die einäugigen Könige unter den Blinden nutzen das Meeting, um ein bisschen Onboarding mit neuen Teammitgliedern zu machen, die richtig kommunikativen Einäugigen erzählen sich am Ende des Meetings gegenseitig noch, was sie machen. Unterm Strich ist die Cokreativität doch irgendwo dem Gruppenzwang gewichen: Keiner geht, ehe nicht alle fertig geplant haben… oder zumindest für jeden Tag der Woche einen Task da stehen haben.

Wenn ihnen das bekannt vorkommt, kann ihnen die richtige Sprache zu mehr Kreativität helfen:

Als ersten Schritt muss die Moderation einen neuen Rahmen setzen, das gemeinsame neue Ziel des Meetings in den Vordergrund stellen. Während der gemeinsamen Planung können offene Fragen weiterhelfen, um Lösungsräume neu zu denken:

  • „Wie könnten mögliche Lösungen für dieses Bedürfnis aussehen?“
  • „Wie würde das bestmögliche Ergebnis aussehen?“
  • „Welche Alternativen gibt es?“
  • „Wie können wir das gemeinsam Umsetzen?“

– geben Sie’s zu! Die Frage klingt schon ganz anders als „Brauchst Du Hilfe?“

Sollten Sie Fragetechniken nicht weiter bringen, können Visualisierungen helfen. Bilder sprechen auch in Sprint Plannings mehr als tausend Worte, Skizzen und Designs helfen Menschen, Sachen schneller zu verstehen und unterstützen kreatives Denken.

Die etwas ganz andere Idee: Design Thinking

Gut, aber noch immer nicht Mindbreaking? Dann braucht’s vielleicht eine Lösung abseite der gewohnten Pfade. Dafür nutzen agile Teams  gerne Design Thinking zu Beginn eines innovativen „Projektes“, also am Beginn eines neuen Produktlebenszykluses, oder wenn bei bestehenden Produkten die sprichwörtliche Luft raus ist und nur ein großer Wurf hilft.

Unter Design Thinking versteht man eine Sammlung aus Modellen und Frameworks, um radikale Innovation zu denken. Die Modelle sind dabei höchst unterschiedlich:

Es gibt 3-Phasen Modelle, 4-Phasen-Modelle, 5-Phasen Modelle und 6-Phasen-Modelle und wenn man von Design Thinking spricht, hat jeder ein anderes Bild im Kopf.

Menschen reagieren auch unterschiedlich auf die einzelnen Modelle. Das kann daran liegen, dass man Kreativität schwer standardisieren kann. Egal wie viele Phasen – um den Prozess einmal zu durchlaufen muss man eine Idee generieren, einen Prototypen erstellen und den durch Stakeholder validieren lassen. – und durch dem Richtigen Rahmen kommen dabei meist sehr kreative Ideen zu Tage.

Als praktikabler Rahmen haben sich Google Design Sprints als Framework am Markt durchgesetzt. Design Sprints gehen über 5 Tage am Stück – also von Montag bis Freitag –, folgen einem beschriebenen Muster und nutzen unterschiedlichste Kreativtechniken. Dieser Rahmen erlaubt es Teams, kreative Lösungsideen zu entwickeln – und sie mit ihrem Sprintzyklus zu verbinden: Ein Design Sprint passt gut in einen Scrum Sprint. Und am Ende gibt’s neue Einträge für’s Product Backlog.

So weit so praktikabel. Der einzige Wermutstropfen dabei: Um Design Thinking zu verstehen, reicht es nicht ein Buch zu lesen oder ein paar schlaue Fragen zu stellen. Es verhält sich genauso wie mit Scrum: Man muss es erleben, um es zu verstehen. Dabei helfen wir aber gerne weiter – zum Beispiel mit unserem dreitägigen Design Thinking Intensiv Kurs.

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