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Go agile, Wincor Nixdorf

Am Anfang stand ein ehrgeiziges Ziel:

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Wincor Nixdorf will innerhalb von wenigen Monaten agile Arbeitsweisen in allen Teams der über 300 Mitarbeiter umfassenden Softwareentwicklungsabteilung einführen. Erste Erfahrungen mit Scrum lagen sowohl bei den Teams als auch in der Führung vor. Nun sollten die dort erkennbaren Vorteile agilen Vorgehens für die gesamte Organisation wie ein Schatz gehoben werden.

Dr. Christian Schlögel, Leiter der Softwareentwicklung: «Mir war bewusst, dass es ein gut abgestimmtes Vorgehensmodell und ein sehr schlagkräftiges Umsetzungsteam brauchen würde, um innerhalb der kurzen Zeit sichtbare Erfolge zu erzielen.» Wincor entschied sich für eine Transition, die auf drei Ebenen in der Organisation parallel ansetzt.

Wandel auf drei Ebenen angeschoben
Auf der Ebene der Projekte und Teams werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den agilen Techniken und Methoden weiter professionalisiert, so dass die positiven Wirkungen aus Transparenz, kurzen Lieferzyklen und iterativem Vorgehen tatsächlich in allen Teams eintreten können. Auf der Programmebene geht es um die Koordination von mehreren Teilprojekten und die Releaseplanung. Für Wincor wurden die erforderlichen Meetings ausgestaltet und definiert, um die Abstimmung über die Teams hinweg zu gewährleisten. Die dritte Ebene ist die Ebene der Transitionsplanung. Sie beschäftigt sich mit der Auswahl, Anpassung und Pflege eines Gesamtmodells für die neue agile Wincor-Organisation. Ein Team aus internen und externen Mitarbeitern verantwortet die Orchestrierung des Projektes, steuert also die Maßnahmen auf den beschriebenen drei Ebenen.

Projektmarketing zieht und schiebt
Der Sponsor entschied sich früh für intensives Projektmarketing, um für das Projekt zu sensibilisieren und die Emotionen anzusprechen. Im Kernteam wurde «GO Agile» als Projektname gewählt. Dazu unterstreicht der mutige und anspruchsvolle Claim die mit den Stakeholdern vereinbarte Projektvision: «We evolve our software in a rapid beat. You will love it.» Entsprechend aufgeladen fällt auf Rückfrage auch die Antwort auf das wichtigste Projektziel aus: «Wir wollen zurück zu «fun & passion» in der Softwareentwicklung.»

Transition – ganz praktisch
Alle Teams werden bei der Umstellung auf agiles Arbeiten durch Agile Coaches unterstützt. Das bedeutet, das nach initialer Schulung in Scrum Grundlagen mit dem Team das eigene Arbeiten in agiler Manier vorbereitet und geübt wird. Der Coach unterstützt dabei den Scrum Master, sich in seine Rolle hineinzufinden. Im Laufe von ein paar Sprints geht die Verantwortung ganz auf den Scrum Master über und der Coach zieht sich zurück. Parallel werden auf der Programmebene die Rituale und Meetings zur Koordination definiert und eingeübt. Das Gesamtmodell wird aus SAFe abgeleitet, beschrieben und geschult.

Ein Kochbuch für Agilität
Als zentrales Dokument für die Art und Weise, wie Agilität bei Wincor umgesetzt werden soll, schreiben alle gemeinsam an einem «Agile Collaboration Framework» – das intern liebevoll-ironisch «Cookbook» genannt wird. Das Cookbook hält fest, was vereinbart ist und was sich bewährt hat. Es ist so knapp gehalten, wie es geht, denn es soll unterstützen und synchronisieren und nicht das eigenständige Denken ersetzen. Es enthält beispielsweise das «Big Picture», also die Darstellung des Gesamtzusammenhangs von Rollen, Meetings und Ritualen in der Softwareentwicklung von Wincor. Es zeigt auf, auf welchem Weg Anforderungen aus strategischen Initiativen abgeleitet werden und in welche Backlogs sie eingefügt werden. Aber das Cookbook enthält auch Definitionen und Beschreibungen von Meetings. So hat die Vereinbarung einer Definition of Ready und der Definition of Done in den Teams wesentlich dazu beigetragen, den klassischen Konflikt zwischen Produktmanagement und Entwicklungsabteilung in konstruktive Bahnen zu lenken.

Fokusgruppen bearbeiten übergreifende Schwerpunktthemen
«Ein wesentlicher Meilenstein für die gewünschte
neue Arbeitsweise war erreicht, als wir die Schnittstelle zwischen Entwicklung und QA geregelt hatten. In der Fokusgruppe ist ein kollaborativer Ansatz entstanden, den wir vorher so nicht gesehen haben.» sagt Andreas Wübbeke. Neben dieser Fokusgruppe haben sich zwei weitere um teamübergreifende Themen gekümmert. Die Schnittstellenthemen zwischen Product Line und Entwicklung wurden in einer Gruppe bearbeitet und Themen, die mehrere Entwicklungsteams betreffen. Die Fokusgruppen sind für die Dauer der Transition gedacht, bzw. solange, bis sie das zugrundeliegende Problem gelöst haben. Sie werden also keine dauerhafte Einrichtung sein.

Spezifisches agiles Modell für Wincor
In einem Projekt dieser Größenordnung findet Lernen auf vielen Ebenen statt – wenn man denn will. Wincor wollte: «Ein Augenöffner für mich war, das Transitionsprojekt selbst als agiles Projekt zu führen», sagt Schlögel. Erstens zeige es, dass Agilität zu unrecht von Vielen auf Softwareentwicklung beschränkt werde. Außerdem erhöhe es die Glaubwürdigkeit in der Organisation, wenn diejenigen, die die bestehenden Abläufe ändern, sich den Neuerungen auch selbst unterwerfen.

«Wir haben uns mit der Agilität vor allem die Lernschleifen
(inspect & adapt) ins Projekt eingebaut», sagt der Entwick-
lungsleiter weiter, «die es uns ermöglicht haben, das als
Referenz verwendete Modell SAFe so anzupassen, wie das für Wincor nötig ist.» So habe Wincor jetzt ein eigenes und von den eigenen Leuten mitgetragenes agiles Modell.

Nächste Schritte
Bei allem Fortschritt ist noch keine Ende der Agilisierung bei Wincor abzusehen. Auf der Agenda stehen die Suche und Implementierung eines geeigneten Tools, um von der strategischen Ebene über die Programmebene bis zu den Projekten die Anforderungen zu entwickeln, bearbeiten und dokumentieren zu können. Dann sind Verbesserungen im Reporting und in der Verfolgung bestimmter unternehmerischer Kennzahlen angedacht. Und schließlich gibt es bei Wincor eine Hardwareentwicklung, für die der Nutzen von Agilität ebenfalls interessant ist. «Uns wird in den nächsten Jahren bestimmt nicht langweilig», so Schlögel. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg auf dem agilen Pfad!

Dieser Text ist aus dem wibas Kundenmagazin.

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