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Wie viele Value Streams gibt’s und wozu?

Value Streams -wer widerspricht dem schon- sind eine tolle Sache. Es grenzt ja an ökonomische Blasphemie nicht zumindest auf sie zu achten. Aber es scheint auch so zu sein, dass je mehr sie in den Fokus rücken, desto mehr scheint es davon zu geben. Ist das Fluch oder Segen? Lass mal schauen!

Was ein Value Stream nochmal ist

Bevor wir ins Detail eintauchen, schauen wir nochmal darauf, wie sich die Idee “Value Stream” erklären lässt. Erstmal zu Deutsch: Wertschöpfungsstrom. Oder besser: Strom der Wertschöpfung. Damit wird klar: Für jedes Unternehmen, das lebt und überlebt, gibt es einen Strom der Wertschöpfung. Der kann wunderbar kräftig, fast nicht zu bändigen sein, seicht dahin fließen, eher so plätschern oder mehr mäandern. Genug der Bilder, die Aussage ist klar.

Wo es Value Streams gibt. Eigentlich eher: wo nicht. Lassen wir zwei Experten dazu vorsprechen:

“Wo immer es ein Produkt für einen Kunden gibt, gibt es auch einen Wertstrom. Die Herausforderung liegt darin, ihn zu sehen. […] Unter einem Wertstrom versteht man alle Aktivitäten (sowohl wertschöpfend als auch nicht-wertschöpfend), die notwendig sind, um ein Produkt durch die Hauptflüsse zu bringen, die für jedes Produkt entscheidend sind: den Fertigungsstrom […] und den Entwicklungsstrom vom Produktkonzept bis zum Produktionsstart”

Mike Rother, John Shook: Learning to See. Deutscher Titel: Sehen Lernen.

Ach, da war ja was. Wer sich jetzt denkt: “Toll, und was ist ein Produkt genau?” dem sei dieser Artikel wärmstens an die Retina, äh, ans Herz gelegt: https://www.wibas.com/blog/was-ist-eigentlich-dieses-produkt/

Wertströme umfassen nach der Definition von Rother und Shook mehr als ein Produkt, potenziell ganze Produktfamilien. Was das nun wieder ist? Schnell ein Bild herbei:

Mike Rother, John Shook: Learning to See. Deutscher Titel: Sehen Lernen.

Das Bild zeigt in wünschenswerter Einfachheit, dass es in einem Unternehmen mindestens einen Wertstrom gibt. Darüber hinaus kann es weitere Wertströme geben, je Produkt oder für eine Produktfamilie, weil sich in ihr die Fertigungsschritte ähneln. Leider gehen die Autoren nicht darauf ein, dass auch die Schritte der Entwicklung hier wichtig sind, bisweilen sogar wichtiger, als die der Fertigung, wie ich in diesem Artikel hervorgehoben habe.

Besonderheit SAFe: Development oder Operational Value Stream

Eine kurze Eingabe bei der Suchmaschine Deines Vertrauens führt Dich zum Scaled Agile Framework (SAFe). Zwei Klicks später sind es plötzlich zwei Arten von Value Streams. Vermehren die sich etwa durch Klicken?
Kurze Antwort: Ja.

Aber keine Sorge, mehr Arten werden es dann in der SAFe-Welt nicht. Der Grund liegt darin, dass SAFe von einem sogenannten Dual Operating System ausgeht. Das Dual Operating System unterteilt das Unternehmen in eine Organisation, die stabil und dadurch effizient Leistungen (Produkte, Services…) bereitstellt und in eine Organisation, die durch die flexible, adaptive Arbeitsweise in einem Netzwerk schnell Innovationen generieren kann. Wie sinnvoll das ist, lasse ich für einen zukünftigen Artikel offen.

Operational and development value streams

© Scaled Agile, Inc.

Der Operational Value Stream soll stabil und effizient Leistungen für Kunden bereit stellen. Der Development Value Stream soll Alles, was dafür notwendig ist, bereit stellen. Im Beispiel eines Darlehens arbeiten eine Reihe von Personen an dem Prozess, den Kunden für die Aufnahme und Rückzahlung eines Darlehens durchlaufen. Für diese wiederum entwickeln weitere Personen, zum Beispiel die Softwaresysteme.

Nach der SAFe-Logik gibt es also immer mindest so viele Value Streams, wie Produkte oder Produktfamilien.

Das Vorgehen zum Identifizieren ist dabei zunächst gleich zur Erklärung oben. Zuerst werden Produkte oder Produktfamilien identifiziert. Dann folgt im zweiten Schritt das Identifizieren der Development Value Streams. Die Fallbeispiele von Lockheed Martin und Telekom sind zur Veranschaulichung interessant.

Wie viele Value Streams hat ein Unternehmen?

Mittlerweile sollte hoffentlich klar sein, dass es hier keine konkrete Zahl geben kann, die generisch gültig wäre. Die Zahl der Value Streams ist nicht an Parameter gebunden, hat keine Korrelation zu Unternehmenseigenschaften. Somit ist die Logik nicht von Unternehmen zu Unternehmen übertragbar.

Gleichwohl gibt es Muster der Organisation nach Value Streams. An dieser Stelle verweise ich auf das lesenswerte Buch “Die Wertstromorganisation” von Torsten Scheller – das es zu gewinnen gibt, siehe am Ende des Posts. In der deutsch- und englischsprachigen Literatur gibt es nach bescheidener Meinung des Autor dieses Blog-Posts kein besseres Buch zum Thema.

Im Buch findet sich dieses erklärungswürdige Bild:

Die Wertstromorganisation. Torsten Scheller, Vahlen Verlag, 2021. S. 133 (CC-BY-SA-Lizenz)

Demnach gibt es in einem Unternehmen, in dem drei Segmente identifiziert wurden (das können zum Beispiel Geschäftseinheiten sein) drei Ströme der Wertschöpfung. Die Segmente zwei und drei bedienen sich dabei gemeinsam der Stufe A. Alle drei Segmente bedienen sich ausserdem der Leistungen aus dem Zentrum.

Wie kann ich Wertströme in wissensintensiven Kontexten identifizieren?

Die Sache ist eigentlich einfach. Ich brauche nur die Schlüsselpersonen, die tatsächlich involviert sind, und zwei Tage Zeit. Dann noch einen Workshop organisieren und fertig ist die Übersicht der Value Streams und sogar einer Roadmap für die weitere Veränderung. Das nachfolgende Bild zeigt, wie wir das für einen Unternehmensbereich von über 1000 Menschen durchgeführt haben.

Die echte Agenda eines Value Stream and ART Identification Workshops

Zugegeben. Es war gar nicht einfach. Darin steckt viel Vorarbeit, strukturierte Interviews, Analysen von Produkten, existierender Kennzahlen, der Vision und der Strategien, Stakeholder Management und noch Vieles mehr. Ganz zu schweigen davon, dass auch die zwei Tage Workshop alles andere als entspannt sind. Weder für mich als Moderator, noch für die über vierzig Teilnehmenden.

Wer behauptet, dass das Value Streams simpel seien, der wird schlicht nicht der realen Komplexität gerecht, die solch einer Organisationsgrösse inhärent ist.

Aber beim Fliegen ist es auch so: Nur weil Du einen Film darüber gesehen hast, kannst Du es noch nicht selbst 😉

Und wie viele Value Streams gibt es bei Dir?

Wie steht es um die Idee der Value Streams in Deinem Unternehmen?
Wie viele Value Streams gibt es?

Unter allen, die sich per Kommentar hier an einem Austausch beteiligen, verlosen wir das Buch “Die Wertstromorganisation” von Torsten Scheller.

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