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Verbessert euren Daily Scrum mit diesem Retro Format

Euer Daily Scrum funktioniert nicht gut? Kannst du bei der Mehrheit folgender Aussagen überwiegend zustimmen? Dann ist es an der Zeit, euren Daily Scrum in der Sprint Retrospektive mal auf Herz und Nieren zu prüfen und gemeinsam zu verbessern. Ich stelle dir hier ein Retrospektiven Format vor, das du dafür verwenden kannst.

Checkliste – Ist euer Daily Scrum reif für eine Retro?

Nehmen wir uns erstmal einen Moment und reflektieren, ob euer Daily Scrum wirklich das Thema einer Sprint Retrospektive sein sollte. Natürlich kannst du dein Scrum Team einfach fragen: “Wollen wir uns in der nächsten Retro mal Zeit nehmen und überlegen, wie wir unseren Daily verbessern?” Falls du aber ein paar Indikatoren folgen willst, dann schau mal, wieviele der folgenden Fragen du mit “Ja” beantwortest. Hier kannst du dir die Checkliste auch downloaden.

Selbsteinschätzung – Solltet ihr euren Daily Scrum reflektieren?

Wenn du mehr als 6 Fragen mit “Nein” beantwortet hast, dann kann es sich lohnen, euren Daily Scrum in einer Sprint Retrospektive zu reflektieren. Dafür kannst du das folgende Retrospektiven Format verwenden. Das Format ist nach den 5 Phasen einer Retrospektive von Diana Larsen strukturiert. Falls du das Buch noch nicht kennst, kann ich es Dir nur wärmstens empfehlen. Ich finde es wirklich lesenswert.

Übersicht der 5 Phasen einer Retrospektive

Daily Retro: Setting the stage

Wie starte ich selbst normaler Weise eine Retro?
Zuerst begrüße ich alle Teilnehmer und stelle das Thema der Retro vor. Dabei betone ich immer gerne, dass es unser Ziel ist, unseren Daily Scrum zu verbessern.

Bei thematischen Retrospektiven greife ich immer gerne auf die Theorie hinter dem Thema zurück. Mir ist wichtig, dass die Teilnehmer noch einmal die Theorie hinter Scrum reflektieren, sich also noch einmal vergegenwärtigen, wie Scrum eigentlich gedacht ist. Durch diese Abstraktion fällt es ihnen leichter, sich gedanklich aus ihrem “Arbeitstrott” zu lösen. Für die Theorie greife ich an dieser Stelle den Scrum Guide auf und lasse alle Teilnehmer nochmal den Abschnitt zum Daily Scrum durchlesen. Anschließend frage ich kurz, ob es hierzu Verständnisfragen gibt.

Auszug aus dem deutsch Scrum Guide zum Daily Scrum

Gather Data – Sammelt Daten zum Daily Scrum

Im nächsten Schritt benötigen wir eine Einschätzung der Daily Scrums durch das Team dieses Retrospektive, also durch die Teilnehmer.
Um diese Information möglichst strukturiert und umfassend erheben zu können, erstelle ich eine Liste von Statements, wie sie der Scrum Guide zu Daily Scrums macht.

Anschließend bitte ich die Teilnehmer, einzuschätzen, wie sie ihren Daily Scrum zu folgenden Statements wahrnehmen. Dabei schätzt jeder Teilnehmer für sich diese Statements ein, anhand von zwei Fragen.

Folgende Statements führe ich gerne auf:

  • Unser Daily Scrum findet immer zur selben Zeit am selben Ort statt.
  • Die richtigen Leute sind eingeladen und nehmen teil.
  • Jeder Daily Scrum Teilnehmer ist vorbereitet.
  • Wir haben einen sinnvollen Austausch in 15 Minuten.
  • Unser Daily Scrum hat eine angemessene Struktur.
  • Die Struktur des Daily Scrums bestimmen die Entwickler selbst.
  • Wir erstellen im Daily Scrum einen Aktionsplan für den Tag.
  • Wir überprüfen im Daily Scrum unseren Fortschritt auf das Sprint Ziel.

Die Fragen, die ich den Teilnehmern zu obigen Statements stelle, sind wie folgt:

1.) Wie gelingt uns dieser Punkt im Scrum Team deiner Meinung nach?

2.) Findest du, wir sollten an diesem Punkt etwas ändern?

Selbstverständlich kannst du auch andere Statements auswählen. Dafür kannst du beispielsweise die Daily Scrum Checkliste nutzen oder deine eigenen Statements ausarbeiten. Wichtig ist, dass es nicht zu viele Statements werden. Meiner Erfahrung nach sind zwischen 5-10 Statements ausreichend.

Ein Praxisbeispiel, wie die Einschätzung visuell gelöst werden kann

Anhand der Einschätzung bekommst du eine Übersicht, wie die Teilnehmer ihren Daily Scrum selber wahrnehmen. Dies ist wichtig, weil die Einschätzung des Teams durchaus von deiner Wahrnehmung als Scrum Master unterscheiden kann.
Mit der Rückmeldung zur zweiten Frage kannst du zudem erkennen, an welchen Themen die Teilnehmer auch wirklich arbeiten wollen. So kannst du gemeinsam mit den Teilnehmern und in ihrem Tempo Verbesserungen erarbeiten.

Generate Insights – Versteht euren Daily Scrum

Anschließend könnt ihr gemeinsam die Einschätzungen auswerten. Dafür bilde ich meist Paare, denn zu zweit arbeitet es sich schneller und es fördert gleichzeitig den Austausch. Bei der Auswertung zieht ihr pro Einschätzung die Summe. Hier ein Beispiel:

Beispiel der Auswertung einer Einschätzung

Anschließend sortiert ihr, was ihr euch als Erstes genauer anschauen wollt. Der Indikator hierfür ist ein hoher Einschätzungswert zu beiden Fragen. Nun geht es darum, dieses Thema gemeinsam genauer zu verstehen. An dieser Stelle sollen noch keine Lösungsideen erarbeitet werden! Wenn ihr hier bereits in den Lösungsmodus springt, könntet ihr wichtige Details übersehen, so dass fälschlicherweise nur Symptome behandelt anstatt Ursachen.

Bleiben wir bei unserem Beispiel: “Unser Daily Scrum findet immer zur selben Zeit am selben Ort statt.” Stellt euch an dieser Stelle zunächst die Frage: “Was genau funktioniert nicht?” Jeder schreibt eine Sache pro Post-It auf, die nicht funktioniert. Anschließend stellt jeder seine Post-its vor. Das mache ich gerne so, dass jeder genau das vorliest was er aufgeschrieben hat. Sollte das Thema bereits genannt worden sein, darf es dazu geklebt werden. Damit erreichst du zum einen, dass nicht ausschweifend Themen erklärt werden und zum anderen, dass ihr bereits beim Sammeln Cluster bilden könnte.

Aufbauend auf den Clustern arbeitet ihr nun Lösungsideen aus. Das tue ich gerne in Paaren, die sich ein Cluster auswählen, um dazu anschließend eine Lösungsidee zu formulieren. Eine andere Möglichkeit besteht darin, jeden Lösungsideen zu den Clustern aufschreiben zu lassen, zu denen ihm welche einfallen. Diese Lösungsideen stellt ihr anschließend nochmal vor. Aber achtet dabei darauf, dass Verständnis-Fragen geklärt werden und die Lösungsideen konkret sind!

Decide what to do – Einfach entscheiden und anfangen

Lösungsideen bzw. Ideen im Allgemeinen sind klasse, es gibt nur ein Problem: Wir haben fast immer zu viele davon. Daher ist es an dieser Stelle wichtig, dass ihr auswählt, womit ihr anfangt.
Als Scrum Master ist es wichtig, auf Folgendes besonders zu achten:

  1. Die Teilnehmer sind diejenigen, die die Auswahl treffen.
    Egal wofür die Teilnehmer sich entscheiden, es ist in diesem Moment für sie das Richtige. Oft sehen wir als Scrum Master oder Agile Coach andere Lösungsideen, die hilfreich sein könnten. Doch um das Selbst-Management zu fördern und mit dem Tempo des Teams zu gehen, ist es wichtig, die Entscheidungen der Teilnehmer so zu respektieren.
  2. Wählt nur eine angemessene Anzahl von Lösungsideen aus.
    Versucht nicht, alles auf einmal umzusetzen, sondern wählt eine angemessene Anzahl an Lösungsideen aus. Die Ideen, die aktuell nicht dran kommen, könnt ihr zu einem späteren Zeitpunkt aufgreifen. Bei der Anzahl der auszuwählenden Ideen kommt es auf deren Komplexität an. Habt ihr beispielsweise viele kleine und einfache Lösungsideen, können ein paar mehr vorangetrieben werden. Wurde hingegen eine größere und komplexere Lösungsidee gewählt, kann zunächst bereits eine ausreichen.

Jeder Teilnehmer bekommt nun eine Anzahl von Stimmen, die vorher festgelegt wird. Beispielsweise zwischen 1-3 Stimmen, die bei der Abstimmung durch Punkte oder ähnliches sichtbar gemacht werden.
Nun dürfen alle Teilnehmer ihr Stimmen vergeben. Um Abwarten der Teilnehmer zu vermeiden und eine Entscheidung zu forcieren, setze ich hierfür eine Timebox. Diese beträgt zum Beispiel bei 10 Lösungsideen 3 Minuten.

Anschließend wertet ihr zusammen die Stimmen aus. Besprecht nun nochmal detailliert, wieviele ihr Lösungsideen ihr umsetzen wollt. Die Top 3? Nur die am höchsten bewertete? Wichtig ist hier darauf zu achten, dass konkret abgesprochen ist, wie die Lösungsidee, wann, wo und von wem umgesetzt wird. Sind diese Punkte definiert, könnt ihr zur nächsten Phase der Retrospektive übergehen.

Close the Retrospective – Einen guten Abschluss finden

Im Anschluss zur Auswahl euer Maßnahme findet nun der Abschluss der Retrospektive statt. Die Ziele sind:

  1. Eine kurze Zusammenfassung der Retro zu geben
  2. Feedback zum Vorgehen der Retro zu bekommen

Als erstes bedanke ich mich an dieser Stelle immer bei den Teilnehmern für ihre Zeit und Mitarbeit. Mir liegt diese Wertschätzung der Teilnehmer am Herzen. Danach fasse ich kurz verbal zusammen, welche Themen wir ausgearbeitet haben und was wir nun vereinbart haben. Bevor ich zum zweiten Ziel übergehe frage ich noch, ob noch jemand etwas einbringen oder ergänzen möchte. Erst danach gehe ich zum zweiten Ziel, dem Feedback zum Vorgehen, über.

Um Feedback zum Vorgehen zu bekommen, kannst du zum Beispiel eine der folgenden Fragen stellen:

  • Wie geht es dir jetzt gerade?
  • Glaubst du an unsere erarbeitete Lösung?
  • Wie gefiel dir diese Retrospektive?
  • Hast du Wünsche für die nächste Retrospektive?
  • Bist du mit unserem Outcome zufrieden?
  • Gibt es etwas, das noch gesagt werden muss?

Diese Fragen könnt ihr mündlich besprechen oder auch beim Verlassen des Raumes über schriftliches Feedback beantworten. Ich entscheide mich hier anhand der Energie im Raum und Zeit jeweils kurzfristig für eine der beiden Optionen.

Beispiel für ein schriftliches Feedback am Ausgang

Ist noch Energie im Raum und Zeit da, kann sich ein kurzes “Blitzlicht” anbieten. Beim Blitzlicht sagt jeder Teilnehmer entweder einen Satz oder hat eine kurze Timebox, z.B. 1 Minute. Ist die Energie jedoch gering oder die Zeit knapp oder beides, dann ziehe ich schriftliches Feedback beim Rausgehen vor. Dafür habe ich eine Darstellung vorbereitet und die Teilnehmer können sich dort einordnen und/oder Kommentare dalassen.

Retrospektive nachbereiten – Tipps für den Scrum Master

Für die Teilnehmer ist die Retrospektive nun vorbei. Dir als Scrum Master möchte ich noch ein paar Gedanken mitgeben.

  1. Dokumentiere die Retrospektive
    Nutze die Zeit direkt nach der Retrospektive, um diese zu dokumentieren. Warum? Um das Erarbeitete und deine Beobachtungen auch später präsent zu haben. So kannst du damit weiter arbeiten und vergisst im Alltag nicht die Hälfte. Die Dokumentation erfolgt mit einem Tool und in einem Umfang deiner Wahl. Ich nutze dafür meist mein Scrum Master Journal und notiere dort nicht nur die Ergebnisse, sondern auch meine Beobachtungen. Gerne nutze ich hierzu auch Screenshots und Fotos der Ergebnisse.
    Außerdem sind solche Dokumentationen auch sinnvoll, wenn nicht alle eingeladenen Teilnehmer anwesend waren. Achte in diesem Fall darauf, dass du die Teilnehmern noch während der Retrospektive darauf hinweist, die Ergebnisse der Retrospektive mit nicht Anwesenden Team-Mitgliedern zu teilen.
  2. Welche Aufgaben sind für dich?
    Gibt es aus der Retrospektive Aufgaben an dich? Diese versuche ich meist sofort umzusetzen, damit ich das Thema dann abschließen kann. Selbst wenn es manchmal nur das Einstellen von Terminen ist.

Fazit zum Daily Scrum Retrospektiven Format

Der Daily Scrum ist das Scrum Event, welches wir am häufigsten nutzen. Er ist unser Monitoring, ob wir es schaffen, das Sprint Ziel zu erreichen. Daher ist es für mich nur logisch darauf zu achten, einen sinnvollen und wertschöpfenden Daily Scrum aufzubauen. Oft ist er jedoch festgefahren und kein richtiger Austausch, oder schlimmer noch, ein Status Report. Mit der von mir beschriebenen Anwendung des Retrospektiven Formats konnte ich Scrum Teams helfen, ihr Daily Scrum für sich selbst zu nutzen und sich damit wohl zu fühlen. Deshalb hoffe ich, dass es auch helfen kann. Falls ihr Fragen habt oder Feedback, freue ich mich sehr über einen Kommentar.

Eure Anna Rudat

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